Stotterc(h)amp Teilnehmende
Unterkünfte
Erlebnispädagogik im Wald
Bogenschießen

Mit dem „Stotterc(h)amp“ über sich hinauswachsen

Im Sommer fand zum 19. Mal die internationale Stotterintensivtherapiewoche “Stotterc(h)amp” im schweizerischen Tägerwilen statt.

Unter der Begleitung und Anleitung eines achtzehnköpfigen, interdisziplinären Mitarbeiterteams (Logopädinnen, Erlebnispädagogen) wurde eine Teilnehmergruppe von neun stotternden Kindern über einen Zeitraum von sieben Tagen intensiv sprachtherapeutisch sowie erlebnispädagogisch begleitet.

Möglich macht das besondere Therapie-Sommerlager das Engagement eines Mitarbeiterteams aus Haupt- und Ehrenamtlichen zweier Hochschulen: der CVJM-Hochschule in Kassel und der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik Zürich. Zwischen beiden Hochschulen besteht seit 2013 eine bereichernde Kooperation, welche nicht nur das Fundament des Projekts bildet, sondern auch den wissenschaftlichen Anspruch verfolgt, mehr über die Verknüpfung von Logopädie und Erlebnispädagogik zu erfahren.

Die CVJM-Hochschule war dabei durch zwei Erlebnispädagogen des Instituts für Erlebnispädagogik vertreten.

Einer der Erlebnispädagogen war in diesem Jahr Lukas Späth. Er begleitete als Teamtrainer erstmalig das Therapiesommerlager und berichtet im Folgenden wie er das Camp und die besondere Verknüpfung zwischen Stottertherapie und Erlebnispädagogik erlebt hat:

Zwei der Teilnehmer blieben mir besonders im Gedächtnis: Ihre Stottersymptomatik war meiner Ansicht nach stark ausgeprägt, sodass sie sich zu Beginn der Woche schwer taten, vor der Gruppe zu sprechen und immer wieder von starken Sprechblockaden „unterbrochen” wurden.

Das für mich Besondere: Im Laufe der Woche machten sie, jeder für sich, sehr große Fortschritte im Umgang mit ihrem Stottern, wurden beim Sprechen vor der Gruppe mutiger, selbstbewusster und blieben, auch wenn es zwischendurch Rückschläge gab (oder einfach mal nicht so gut lief), motiviert am Ball.

Ein besonderer Moment war dabei der letzte Abend. Es war der Abschlussabend und jeder Teilnehmende durfte sich in die Gestaltung einbringen. Ein Abschlussabend wie man ihn von klassischen Freizeiten kennt.

Diese beiden Jungs waren in der Auswahl, wie sie sich einbringen wollten, ausgesprochen mutig: Sie meldeten sich als Moderatoren! Ein Job, der ja nun sehr viel reden vor der Gruppe bedeutet.

Über sich hinauswachsen

Ich war gespannt wie sie diese Sprechsituation (vor der Gruppe mit Mikrofon und Scheinwerfern) meistern würden. Als schließlich der Moment der Wahrheit gekommen war, waren alle Hemmungen wie weggefegt und sie hauten uns alle mit ihrer humorvollen, starken Moderation von den Bänken.

Das war ein wirklich besonderer Moment, sowohl für die beiden Jungs als auch für das Publikum. Es wirkte, als wären sie in diesem Moment sprichwörtlich über sich hinausgewachsen.

Ich stellte mir die Frage, wie es zu diesem Wandel kam? Die Antwort liegt für mich in der besonderen Verknüpfung von Logopädie und Erlebnispädagogik auf diesem Camp. Wir geben den Teilnehmenden nicht nur Möglichkeiten mit ihrem Stottern neu, anders, häufig für sie besser umzugehen, sondern versuchen auch das Selbstbewusstsein aufzubauen, mutig mit dem Stottern und dem neu Erlernten in die Welt zu treten. Selbstbewusstsein ist hier ein ganz zentrales Element.

Dies gelingt durch erlebnispädagogische Programmelemente, die individuell auf die Kinder abgestimmt werden. Beim Camp tritt eine Art der Individualpädagogik, eine gezielte Auseinandersetzung mit jedem Teilnehmenden, in den Vordergrund, die ich bisher in der “klassischen” Erlebnispädagogik nur selten vorfinden konnte.

„Erlebnis-Logopädie“

Auf diesem therapeutischen Sommerlager geht es um die individuelle Verknüpfung von therapeutischen Inhalten und erlebnispädagogischen Zielstellungen. So konnten die Kinder bei gezielten Erlebnispädagogik-Übungen wie Bogenschießen, Floßbau, Slacklinen usw. nicht nur ihre neuen Sprechtechniken individuell in spannungsreichen Situation trainieren, sondern gleichsam Selbstbewusstsein aufbauen, um auch später diese Techniken und den neuen Umgang mit dem Stottern anzuwenden.

Man könnte also fast sagen, dass durch diese Verbindung von Erlebnispädagogik und Logopädie eine ganz neue Disziplin geschaffen wird, eine Art Erlebnis-Logopädie.

Lukas Späth, Student an der CVJM-Hochschule, Erlebnispädagoge am Institut für Erlebnispädagogik


Die 2009 gegründete, staatlich und kirchlich anerkannte CVJM-Hochschule – YMCA University of Applied Sciences – führt in Präsenz- sowie in berufsbegleitenden und onlinebasierten Teilzeit-Studiengängen in den Bereichen Theologie und Soziale Arbeit zum Bachelor of Arts und Master of Arts. Außerdem bildet die CVJM-Hochschule Erzieher*innen und Jugendreferent*innen aus. Verschiedene Weiterbildungen ergänzen das Angebot. Die CVJM-Hochschule betreibt zusätzlich vier Forschungsinstitute (Institut für Erlebnispädagogik, Institut für Missionarische Jugendarbeit, Institut empirica für Jugendkultur und Religion sowie das Evangelische Bank Institut für Ethisches Management). Zum Wintersemester 2023/2024 sind 474 Studierende immatrikuliert. Rektor der CVJM-Hochschule ist Prof. Dr. Tobias Faix. Die Studierenden leben in einer Lern- und Lebensgemeinschaft auf dem bzw. in der Nähe des Campus.

Träger der CVJM-Hochschule ist der deutschlandweite Dachverband der Christlichen Vereine Junger Menschen (CVJM/YMCA), der CVJM Deutschland. Der CVJM/YMCA ist weltweit die größte überkonfessionelle christliche Jugendorganisation, die insgesamt 40 Millionen Menschen direkt erreicht, und weitere 25 Millionen Menschen indirekt. In Deutschland hat der CVJM 310.000 Mitglieder und regelmäßige Teilnehmende. Darüber hinaus erreicht er in seinen Programmen, Aktionen und Freizeiten jedes Jahr fast eine Million junge Menschen. Schwerpunkt des CVJM in Deutschland ist die örtliche Jugendarbeit in 1.400 Vereinen, Jugendwerken und Jugenddörfern.

Ehrenamtlicher Vorsitzender des CVJM Deutschland ist Präses Steffen Waldminghaus. Hauptamtlicher Leiter ist Generalsekretär Pfarrer Hansjörg Kopp.

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